Bilanz des Bologna-Prozesses 2021 bis 2024

Dr. Inge Gräßle

 

In Ihrer Rede zur Bilanz des Bologna-Prozesses, also der europaweite Vereinheitlichung von Studiengängen und -abschlüssen, stellte Dr. Inge Gräßle fest, dass man den Bologna-Prozess erfinden müsste, wenn es ihn nicht schon gäbe. Er sei eine wirklich bahnbrechende Initiative für die Mobilität von Studierenden und Lehrenden, für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und die Beschäftigungsfähigkeit unserer Absolventen. In den Bereichen, wo es keine solche Harmonisierung gebe, könne man jeden Tag sehen, wie mühsam es sei, eine Anerkennung von Schul- und Berufsabschlüssen zu erreichen. Im Durchschnitt dauere dieser Prozess 16 Monate - das sei eine lange, ja zu lange Zeit für all die Bereiche, die nicht harmonisiert seien, wenn Sie auf Mitarbeiter warten müssten.

Gräßle: "Die gute Nachricht ist, dass es in den Kernbereichen der gegenseitigen Anerkennung akademischer Qualifikationen und im Ausland erworbener Studienleistungen - das ist bereits auf hohem Niveau - weiter aufwärts geht. Aber klar ist: Wir brauchen mehr deutsche Studierende im Ausland und mehr Studiengänge mit Auslandsmobilität. Und damit meine ich jetzt nicht Skifahren in Grenoble im Frühjahr oder Surfen im Herbst in Nizza. Internationale Erfahrungen sind etwas anderes."

Dem zuständigen Bundesministerium für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (BMBF) warf Gräßle mangelnden Ehrgeiz vor. So fehle zum Beispiel eine Übersicht, wo Deutschland in den rund 21.000 Studiengängen mehr Internationalität brauche. In diesem Bericht erfahre man nicht, wo nachgearbeitet werden müsse, wo die Probleme sein könnten. Der Bundestag erfahre auch nicht, was das BMBF vorhaben, um die Lücken zu füllen; der Bericht mogele sich um alles Konkrete herum. Gräßle: "Wo sind die Pläne, die Maßnahmen, die Initiativen? Womit dürfen die betroffenen Hochschuleinrichtungen rechnen? Es gibt angeblich einen Konsultationsprozess, der für uns aber völlig im Dunkeln liegt. Ich muss sagen: So habe ich mir Bildungs- und Wissenschaftspolitik nicht vorgestellt. Ich habe mir schon vorgestellt, dass man da, wo man diese Dinge diskutieren muss, nämlich hier im Deutschen Bundestag, darüber etwas hört und etwas zu diskutieren hat."

Immerhin erfahre man aus dem Bericht, dass Deutschland das drittwichtigste Gastland sei. Das müsse es auch bleiben. Aber dazu bräuchte es u.a. Hinweise, mit welchen Herkunftsländern wir es bei den Studentinnen und Studenten zu tun haben und wo Deutschland in der EU im Ländervergleich stehe - doch auch dazu erfahre der Bundestag nichts. Gräßle: "Wir sehen nicht, dass der Bund in diesen Bereichen Führung übernimmt. Wir sehen, dass das Zugpferd Deutschland in der EU im letzten Wagen sitzt und sich von all denen ziehen lässt, die auf Impulse von Ihrer Seite warten. Sie lassen sich von den deutschen Hochschuleinrichtungen ziehen, von Organisationen wie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst und der Alexander-von-Humboldt-Stiftung - denen Sie zum Dank auch noch die Mittel kürzen."

 

# Video der Rede