Die CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg im Deutschen Bundestag verfolgt ein klares gesundheitspolitisches Ziel: Wir möchten die wohnortnahe und verlässliche Gesundheitsversorgung erhalten. Dazu gehört auch ein stabiles Netz an Apotheken, die die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Arzneimitteln sicherstellen.
Im letzten Winter haben jedoch viele Eltern die Erfahrung machen müssen, dass es zu Engpässen bei Arzneimitteln für Kinder, zum Beispiel bei Antibiotika- oder Fiebersäften, gekommen ist. Dies
kann sich im Gesamtkontext eines wachsenden Vertrauensverlustes in den Staat auf fatale Art und Weise auswirken: Bürgerinnen und Bürger machen sich nicht nur veritable Sorgen um Inflation, Krieg
und unkontrollierte Migration, sondern sie finden auch keinen Hausarzt mehr oder bekommen einen Termin beim Facharzt – wenn überhaupt – nur mit langen Wartezeiten. Es ist daher wichtig zu handeln
und die Funktionsfähigkeit unseres Staates unter Beweis zu stellen.
Die problematische Arzneimittelversorgung kann auf mehrere Gründe zurückgeführt wer-den: u.a. unterbrochene Lieferketten, Produktionsausfälle von Medikamenten und Wirkstoffen aus Fernost,
Stilllegung oder Verlagerung von Produktionswerken wegen unrentabler Vergütung. Das im Juli 2023 in Kraft getretene Arzneimittel-Lieferengpass-Bekämpfungs- und Versorgungs-Verbesserungs-Gesetz
(ALBVVG) der Bundesregierung hat offensichtlich kaum zu einer Entspannung der Situation beigetragen. Die Maßnahmen reichen nicht aus, um die Versorgungslage dauerhaft zu verbessern.
Die Lage bei der Verfügbarkeit von dringlich benötigten Arzneimitteln, darunter kindge-rechten Antibiotika und anderer Arzneimittel in Form von Säften und in Tablettenform, ist weiterhin sehr
angespannt. Der pharmazeutische Großhandel warnt, dass bei 85 Pro-zent der für die laufende Herbst-/Wintersaison dringend benötigten Arzneimittel die derzeit verfügbaren Bestände nicht einmal für
zwei Wochen reichen werden und es objektiv unmöglich sei, diese Arzneimittel bei der pharmazeutischen Industrie zu beschaffen oder Lagerbestände aufzubauen.
Tragende Säule in der Arzneimittelversorgung sind die Apotheken vor Ort, deren Teams versuchen, nach Möglichkeit Präparate zu beschaffen oder selbst herzustellen, um eine ausreichende Versorgung
zu gewährleisten. Apotheken, Kinderärztinnen und Kinderärzte haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es langfristige Lösungen braucht und nicht jedes Jahr vor der Erkältungssaison nur
Krisenmanagement betrieben werden darf.
Die CDU-Landesgruppe Baden-Württemberg im Deutschen Bundestag fordert daher:
1. Entwicklung einer europäischen Arzneimittelstrategie, um der globalen Abhängigkeit entgegenzuwirken. Die Bundesregierung muss sich auf europäischer Ebene für gezielte
Strukturpolitik, Investitionsförderung, Bürokratieabbau, weniger regulatorische Eingriffe, effektive Früherkennung von Lieferengpässen und effizientere Abläufe einsetzen. Die aktuell geplante
Revision der Arzneimittelgesetzgebung in der EU muss von der Bundesregierung stärker genutzt werden, diese Ziele voranzubringen.
a. Die wenigen in Deutschland und Europa noch vorhandenen Generika-Unternehmen müssen im Markt bleiben und bestenfalls ihre Kapazitäten erhöhen. Hierfür braucht es kurzfristig
wirksame Anreize für die Aufstockung der Produktion.
b. Für besonders wichtige Arzneimittel und Wirkstoffe müssen Schwachstellen in den globalen Produktions- und Lieferketten identifiziert werden. Mittelfristig muss hierfür wieder
aktiv ein Produktionsaufbau in Europa unterstützt werden.
c. Es braucht europäische Regelungen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Arzneimittelindustrie in der EU ausbauen und sichern.
d. Eine strategische Reserve an Arzneimitteln – eine „europäischen Notfalla-potheke“ – wird benötigt, um das Risiko von Engpässen zu verringern. Dazu gehört auch die Förderung
der gemeinsamen Beschaffung von Medikamenten auf EU-Ebene.
2. Die Bundesregierung muss Apotheken durch Bürokratieabbau und Flexibilität mehr „pharmazeutische Beinfreiheit“ ermöglichen und Vergütungsbestandteile angemessenen
anpassen.
a. Die Regelungen des ALBVVG für erweiterte Austauschregelungen in der Apotheke bei Nichtverfügbarkeit des abzugebenden Arzneimittels müssen wieder an den Regelungsgehalt der
SARS-CoV-2-Versorgungsverordnung an-gepasst werden, um den Apotheken wirksamere Handlungsoptionen zu geben.
b. Apothekerinnen und Apotheker benötigen eine Regelung, bei Nichtlieferbarkeit eines Kinderarzneimittels nach Verfügbarkeitsabfrage beim pharma-zeutischen Großhandel innerhalb
des gleichen Wirkstoffs die erweiterten Austauschregelungen auch für Packungsgröße, Darreichungsform, Hersteller und Individualrezeptur anzuwenden, ohne Rücksprache bei Arzt/Ärztin und ohne, dass
dabei das Rezept vom Arzt/Ärztin abgeändert werden muss.
c. Es braucht eine Regelung, welche die Zulässigkeit von Nullretaxationen für Apotheken auf ein Mindestmaß an gravierenden Fällen beschränkt.
d. Die Aufwendungen im Rahmen des Lieferengpassmanagements, das die Teams in den Apotheken täglich leisten, müssen angemessen vergütet werden und das Apotheken-Fixum von 8,35
Euro um einen angemessenen Be-trag angehoben werden.
e. Bestehende bürokratische Auflagen und einschränkenden Regularien, welche die Wirtschaftlichkeit von Apothekenbetrieben hemmen und zeitliche Ressourcen unverhältnismäßig stark
binden, müssen geprüft und abgebaut werden.
3. Die Bundesregierung muss das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) un-ter Einbezug der Expertise aller Beteiligten und externer wissenschaftlicher Beratung sachgerecht
fortentwickeln.
4. Herstellungskosten von Kinderarzneimitteln müssen angemessen angehoben und entfristet werden, um den Unternehmen eine langfristige Planungssicherheit zu geben und den
Produktionsstandort Deutschland bzw. Europa zu stärken.
Darüber hinaus verweisen wir auf den aktuellen Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „Arzneimittelversorgung sicherstellen - Versorgungssicherheit gewährleisten“ (Drucksache 20/9319).